Automobilismus 3.0 – oder Spiel mir das Lied vom Tod

 

Fangen wir mit dem Beginn des 20. Jahrhundertes an als die beschleunigte Fortbewegung der Menschen für die gesamte Welt eine erste kleine Globalisierung und den Medien erste Kommunikationsmeilenstein durch den Telegraphen brachte. Wir waren nun nicht nur mehr regional – wir waren plötzlich global. Die Materialschlachten des 1. und 2. Weltkrieges brachten nicht nur Millionen Tote, sondern auch eine sich immer schneller drehende Entwicklung in allen Lebensbereichen. Das Automobil wurde Sinnbild für die Entwicklung – immer schneller – immer teurer und immer mehr. 1910 zählte man in Wien 2.545 Automobile. Zum Vergleich: 2019 waren in Wien 714.960 Pkw zugelassen. Österreich weit gab es 2019 rund 5 Mio Kraftfahrzeuge wovon jedoch lediglich rund 30.000 Elektrofahrzeuge waren (Quelle)

Gierig wie ein Parasit bestimmte die Automobilindustrie ganze Regierungen und diktierte was zu tun sein, denn es stehen ja hunderttausende Arbeitsplätze am Spiel. Doch der hohe Sockel, auf den sich ein ganzer Industriezweig sein Denkmal gebaut hat beginnt zu bröckeln.

Spätestens seit den frühen 70ern sollte uns eines klar geworden sein: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ – Schlussfolgerung aus: Die Grenzen des Wachstums. 

Anstatt uns auf diese Realität einzustimmen und Ressourcen zu schonen hat mal jedoch immer mehr und immer weiter entwickelt, geforscht, Natur vernichtet und Rohstoffe ausgebeutet. Die Kehrtwende wird von oben her nicht stattfinden – wahrscheinlicher ist deren Einleitung durch den Druck von unten – vom Volk. Die Industrien geben nach wie vor Vollgas, auch wenn das ungebremste Wachstum, von dem alle träumen, einen deutlichen Dämpfer erhalten hat und sich Dank Covid19 wohl noch weiter nach unten bewegen wird.

Eines der vielen Schreckensgespenster, die das glückstrahlende Universum richtig ins Trudeln brachte war einerseits der Dieselskandal und auf der anderen Seite TESLA [1] (Tesla hat noch nie so viele Autos verkauft wie in der aktuellen Krise, und der Aktienkurs ist im Gegensatz zu anderen Werten enorm gestiegen) sowie die langsame Machtübernahme in der Produktion durch chinesische Firmen.
Deutschland als Nr. 1 der Autobauer ist inzwischen in einer veritablen Krise angelangt, da die Wende hin zur Elektromobilität  verschlafen wurde und sich das Klimagewissen bei immer mehr Menschen zu Wort meldet. Bald wird es in den Städten nicht mehr heißen Diesel oder Benzin – nein es wird heißen: Ende des Individualverkehr und Car-Sharing bzw. Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel. Mobilität als Grundbedürfnis des Menschen wird gerade neu definiert und erhält gleichzeitig auch einen neuen moralischen Anstrich. Der „protzige SUV-Fahrer“ muss sich ob seines Verbrennervehikels gegenüber der fanatischen Gretafraktion rechtfertigen.

Für insgesamt knapp 412 000 vorzeitige Todesfälle in 41 europäischen Ländern war er nach Angaben der Umweltagentur EEA verantwortlich. 374.000 Todesfälle seien in den 28 EU-Staaten registriert worden und 59.600 in Deutschland (Quelle). Und dabei reden wir noch nicht einmal von den indirekten Auswirkungen des Straßenverkehrs durch den Klimawandel: Hitzewellen haben seit 2003 in Deutschland 19.500 Todesopfer gefordert, weltweit haben wir es mit vermehrten Zyklonen, Waldbränden, Dürren und Fluten zu tun. Opferzahlen steigend!

Was sagt der Trend?
In Norwegen sollen ab 2025 keine Verbrennerfahrzeuge mehr zugelassen werden. Dänemark, Schweden, Irland und Slowenien wollen dem ambitionierten Beispiel 2030 folgen. 2035 soll Großbritannien und Frankreich mit 2040 das Ende von Diesel- und Benzinmotor als Rute ins Fenster stellen. Als Alternative nennen Politiker, Umweltschützer und Medien meistens die Umrüstung auf elektrische Antriebe und eine weitgehende Einschränkung des Individualverkehr. Rund 40.000 Personen sind in Österreich aktuell in der Automobilindustrie beschäftigt. Inklusive der Unternehmen im Nahbereich kommt man auf  rund 370.000 Arbeitsplätze. 24.000 davon wären laut einer Studie der Industriellenvereinigung durch die Umstellung auf Elektromobilität gefährdet (Quelle).

Fahrräder erleben jetzt einen riesigen Boom – vor allem die elektrisch betriebenen ermöglichen es auch sonst unsportlichen Menschen weitere Strecken zu absolvieren. Für viele wäre das Fahrrad auch eine Alternative zum Auto – vor allem in der Stadt. Die notwendige Infrastruktur müsste jedoch geschaffen werden – überall gibt es da großen Nachholbedarf!! In Österreich wurden im Jahr 2019 etwa 439.000 Fahrräder abgesetzt. 2019 wurden etwa 480 Millionen Euro mit den Pedelecs umgesetzt, dies entspricht etwa 69 Prozent des Gesamtumsatzes. Besonders beliebt waren 2019 die E-Mountainbikes, hier stieg die Nachfrage um 23 Prozent im Vergleich zu 2018 (Quelle).
24.800.000.000 Kilometer wurden insgesamt mit dem Fahrrad in Deutschland 2015 zurück gelegt und insgesamt gab es 75.900.000 Fahrräder in Deutschland 2019 (Quelle).

Je weniger das Angebot durch öffentliche Verbindungen mit dem Individualverkehr mithalten kann, desto mehr Pkw pro Einwohner sind gemeldet. Es gibt aktuell kein wirklich passendes Konzept der öffentlichen Verkehrsbetriebe um die Lücke zum Bedarf zu schließen. Zu teuer und schlechte und zeitlich unattraktive Verbindungen – zumindest in den Bundesländern. Alleine deshalb wird und kann der öffentliche Verkehr im ländlichen Bereich keine Lösung sein! Car-Sharing oder Fahrgemeinschaften sind auf jeden Fall überdenkenswert! Entsprechende Regelungen und rechtliche Grundlagen müssten da jedoch noch verbessert werden (zb. Haftungsfragen)

Ich möchte hier nicht auf die zahlreichen Pro und Contra in Bezug auf die Elektromobilität eingehen – es gibt so viele Studien und Mythen mit falschen Grundannahmen, dass selbst das Corona Virus erblasst. Langfristig wird sich jedoch weder Wasserstoff noch andere Antriebe für den Individualverkehr durchsetzen. Elektromobilität kann einen wesentlichen Einfluss auf unsere zukünftige Mobilität haben – wir stehen jedoch erst ganz am Anfang. Der Reichweitenangst kann man angesichts einer täglichen durchschnittlichen Fahrtstrecke von rund 40 km/Tag mit Vernunft entgegen treten. Selbst Langstrecken sind dank Schnellader (zumindest für einige Marken) kein Thema mehr. Umdenken beginnt eben im Kopf!

Automobilismus 3.0 wird also der Weg hin zu Elektromobilität und einer Einschränkung des Individualverkehrs sein (müssen) um die großen Klimaschutzziele zumindest im Bereich Verkehr umsetzen zu können. Wo steh ich selbst? Nun ich fahre einen alten Verbrenner und schränke meine Fahrtstrecken entsprechend ein um unsinnige und unnötige Fahren zu verhindern. 90% meine zurückgelegten Kilometer sind beruflich bedingt. Ein Elektroauto ist langfristig ein Ziel.

Youtube – Tipp: Horst Lüning mit seinen sehr informativen Kanal.

 

[1] Teslas Aktienkurs stieg seit Jahresbeginn von 381,50 Euro auf zuletzt rund 1200 Euro (25.07.2020). Der Börsenwert des Unternehmens liegt bei sagenhaften 180 Milliarden Euro; damit ist der amerikanische Autobauer mehr wert als die deutschen Hersteller VW, BMW und Mercedes – zusammen! (Quelle)